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Deniz Yücel
Mit dem Aufmarsch in Essen (#1) hat sich Hizb ut-Tahrir wieder ins Gespräch gebracht. Dabei wurde die Organisation bereits 2003 vom damaligen Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) verboten. Hier die Geschichte, wie es dazu kam. Feat: Islamisten & Polizisten, Horst Mahler & ich.
Ich erzähle diese kleine Geschichte, weil sie für die aktuelle Debatte aus zwei Gründen aufschlussreich ist.
Doch zuvor in aller Kürze: Wie tickt Hizb ut-Tahrir? Einschätzung von Eren Güvercin mit Ergänzung von Omid Nouripour aus einer Sendung von Markus Lanz in der vergangenenen Woche. (#2)
Und eine Passage aus der Rede von Ahmed Tamim in Essen (#3), Sprecher von ¥Generation Islam“, einer von mehreren deutschsprachigen Internetplattformen, unter denen sich Hizb ut-Tahrir seit dem Betätigungsverbot recht erfolgreich betätigt. (Quelle: Instagram-Account von ¥Generation Islam“).
Hizb ut-Tahrir wurde 1953 in Ost-Jerusalem gegründet und ist heute in über 40 Ländern aktiv. In Berlin begann sie sich nach Jahrtausendwende verstärkt zu organisieren, u.A. An der
TU Berlin unter dem Namen ¥Hochschulgruppe für Kultur und Wissenschaft“.
Zugleich begann man, auf dem Kreuzberger Wochenmarkt am Maybachufer Publikationen zu verteilen, darunter die türkischsprachige Zeitschrift ¥Hilafet“ (¥Kalifat“) und die deutschsprachige ¥Explizit“.Dort fielen sie meinem damaligen Mitbewohner Aycan Demirel und mir auf.
Wir besorgten uns das Material, das dann wochenlang auf unserem WG-Tisch herumlag: offener Judenhass, Feindschaft gegen Demokratie und Moderne, Kalifat statt Nationalstaaten, krasses Zeug. Vereinzelt tauchte Hizb ut-Tahrir in Verfassungsschutzberichten einiger Landesämter auf, ansonsten gab es damals kaum deutschsprachige Quellen.
Behörden wie Öffentlichkeit konzentrierten sich nach 9/11 auf traditionelle, von Gastarbeitern getragene Organisationen wie Milli Görüş oder die Gruppe um den Kölner Operettenkalifen Metin Kaplan.
Für eine moderne islamistische Organisation, die die Sprache der hier aufgewachsenen Einwanderkinder sprach – Deutsch –, fehlte es hingegen an Aufmerksamkeit. Das sollte sich erst etwa zehn Jahre später, im Zuge des Aufstiegs des IS und des Salafismus in Deutschland, ändern.
Ich hatte damals, also 2002, eine halbe Stelle bei der Jungle World und arbeitete nebenher frei. Diese Story bot ich dem Tagesspiegel an und schrieb einige Texte über Hizbut-Tahrir. Dafür besuchte ich auch das Freitagsgebet an der TU, das die Gruppe zu unterwandern versuchte.
Diese Artikel sind nicht mehr online verfügbar; hier ein paar Screenshots aus dem Archiv (#4, #5, #6).
Die TU Berlin reagierte prompt: Nein, sie untersagte nicht eine geplante Veranstaltung zum Irak-Krieg in der Alten Mensa, die ich erwähnt hatte, sie kündigte auch nicht an, das Treiben der besagten Hochschulgruppe oder die Unterwanderung des Freitagsgebets zu überprüfen.
Stattdessen drohte die TU Berlin dem Tagesspiegel mit rechtlichen Schritten. An Details erinnere ich mich nicht mehr, nur daran, dass mir Chefredakteur Lorenz Maroldt versicherte, die Zeitung werde unsere Berichterstattung notfalls vor Gericht verteidigen.
Dass es zu keiner Anzeige kam, hatte womöglich folgenden Grund: Durch meine Artikel waren der damalige NPD-Chef Udo Voigt und der damalige NPD-Vordenker Horst Mahler auf die Veranstaltung aufmerksam geworden – und mischten sich unter die rund 300 Gäste.
Was heute bizarr klingt, fiel in die kurze Phase nach 9/11, als die NPD ihren althergebrachten Rassismus zugunsten einer antiimperialistischen Linie zurückstellte und im Islamismus einen potenziellen Verbündeten im Kampf gegen die USA und, na klar, ¥den Zionismus“ erkannte.
Der damalige NPD-Chef Voigt war entzückt über diese Veranstaltung: Sie seien ¥zu den ausländischen Gästen als Fremde“ gekommen und hätten sie als Freunde verlassen“, sagte er danach.
Durch die Anwesenheit der NPD-Führung gewann diese Veranstaltung im Nachgang größere Aufmerksamkeit. (Bericht Tagesspiegel über Reaktionen 👉 https://www.Tagesspiegel.De/.../Emporung-uber-islamisten...)
Und bald darauf erschien im NPD-Blatt ¥Deutsche Stimme“ ein Interview, das auch nach 21 Jahren Betrachtung verdient.
Holger Apfel, seinerzeit Chefredakteur der ¥Deutschen Stimme“ und später NPD-Vorsitzender, im plauderte hier einvernehmlich mit einem in Karo geborenen und in Duisburg lebenden Ingenieur namens Shaker Assem, damals Sprecher von Hizb ut-Tahrir für den deutschspachigen Raum.
Was er von der NPD-Forderung ¥Ausländerrückführung statt Integration“ halte, fragt Apfel. Auch seine Organisation stehe der Integration ¥sehr skeptisch gegenüber“, antwortet Assem und versichert: Wenn der ¥Kalifstaat“ errichtet sei, würden die meisten Muslime dorthin gehen.
Darum müssten sich, so Assem ¥nationale Menschen“ nicht vor den Muslimen fürchten und sollten sich auf die ¥kapitalen Probleme des deutschen Geistes“ konzentrieren: ¥kranke Ideen der Spaßgemeinschaft, ¥grenzenloser Individualismus“, ¥politische Scheinunabhängigkeit“.
Man werde die ¥USA in die Knie zwingen“ und ¥Palästina von den Zionisten befreien“, verspricht Assem zum Schluss. Apfel wünscht dabei viel Glück, warnt aber: Auch die Deutschen seien bei ihrem Versuch, einen eigenen Weg zu gehen, von eben jenen Mächten aufgehalten worden.
Unterdessen erhielt ich überraschende Post: Die Staatsschutz-Abteilung des Landeskriminalamts Berlin, fragte, ob ich ihr das Material aushändigen könne, von dem ich im Tagespiegel berichtet hatte. Dieses könnte, so das LKA, als ¥Beweismittel in einem Ermittlungsverfahren relevant sein“.
Dieses Schreiben des LKA, in dem übrigens der besagte Tagesspiegel-Artikel falsch datiert ist, hat die Jahre überdauert. Mit Kaffeefleck, aber immerhin (#7).
Ich antwortete sinngemäß, dass ein jeder, Polizisten wie Journalisten, ihrer Arbeit nachgehen sollten, man beides aber trennen müsse, weshalb ich dieser Bitte des LKA nicht entsprechen könne.
Wäre es um Leben und Tod gegangen, etwa um Hinweise auf Anschlagspläne, ich hätte wohl anders reagiert. Aber nicht bei Propagandamaterial, für der Staatsschutz bloß einen Praktikanten zum Maybachufer hätte schicken können. Danach hörte ich nichts mehr von dieser Sache.
Einen Monat später, im Januar 2003, verkündete Innenminister Schily ein Betätigungsverbot gegen Hizb ut-Tahrir – mit Hinweis auf die Medienberichterstattung und auf Indizien für eine mögliche Zusammenarbeit mit deutschen Neonazis. (AFP-Berichthttps://www.Welt.De/.../Schily-verbietet-dritte...
2006 bestätigte das Bundesverwaltungsgericht die Verbotsverfügung. Assem ging nach Wien, von wo er die Aktivitäten von Hizb ut-Tahrir im deutschsprachigen Raum weiter lenkte. (Welche Funktion er dort heute hat, entzieht sich meiner Kenntnis.)
Heute ist die Gruppe, wie auch Eren Güvercin bei Lanz berichtet hat, aktiver als vor dem Verbot. Das zeigt: Mit Verboten allein ist es nicht getan. (Einige der relevanten Insta-Accounts #8, #9) Im Impressum wird übrigens ein Alexander L. Aus Frankfurt/Main genannt.
Und Hizb ut-Tahrir hat sich nicht nur organisatorisch neu aufgestellt, sondern unter Beibehaltung des ideologischen Kerns – der Idee vom ¥Kalifat“ – den zeitgenössischen post-kolonialen und ¥antirassistischen“ Jargon zugelegt.
Doch sie bleiben, was sie waren, Faschisten, die sich nicht von ungefähr prima mit deutschen Rechtsextremisten verständigen können.
Text- und Bildquelle: Facebook. Herausgegeben von Deniz Yücel auf Facebook. Haftungsausschluss!
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